Von historischen Deutungen der Kupferschieferfossilien bis zur wissenschaftlichen Interpretation
 

Vielen ist er bekannt der Kupferschieferhering, der eher mit Stören als mit Heringen verwandt ist und noch vor rund 258 Mio. Jahren im Zechsteinmeer in großer Zahl umherschwamm. Nicht nur weltweit in Museen ist er zu finden, sondern auch bei vielen ehemaligen Bergleuten in und um Eisleben und Sangerhausen oder auf den Schieferhalden der Umgebung.
Inzwischen ist es selbstverständlich, daß der Palaeoniscum freieslebeni, wie er wissenschaftlich heißt, ein Fisch war und nun ein "Abdruck" ist. Doch das war nicht immer so.
Der Kupferschiefer brachte durch den Bergbau viele Fossilien, was weltweit einzigartig ist für eine Erzlagerstätte.
 
    Mittelalterliche Bergbauhalde bei Sangerhausen. Abgetragene Halden
    markieren sich gelb im Feld auf Grund der Schwermetallbelastung.

In kleinen Haspelschächten erfolgte anfangs ein intensiver Abbau. So wurden schon sehr früh und sicher weit vor der ältesten Erwähnung fossile Abdrücke gefunden. Über die Herkunft der Fossilien gab es die verschiedensten Vermutungen, die für mehr Diskussionen sorgten als die Fossilien an sich. Sie beschäftigten die Obrigkeiten, die meist in wenigen Worten darüber zu berichten wußten.
Es finden sich bis ins 18. Jahrhundert Deutungen als Reste der Sintflut, unterirdische Keimungen, Spiele der Berggeister oder göttlich oder unterirdisch geschaffene Abbilder - man schrieb der Erde damals eine geheime bildende Kraft zu. Beispiele für die Auseinandersetzung der Menschen mit den Fossilien sind neben kurzen Erwähnungen mehrere Abbildungen aus dem 16. Jahrhundert.
Die älteste Mitteilung über Kupferschieferfossilien, stammt von LUTHER. Im Sommer 1535 teilte er in seiner "Genesis-Vorlesung" seinen Studenten die eigenen Beobachtungen mit:

"Es brechen zu Eißleben, wie ihr wisset, schwartze Schiefer, die Kupffer und Silber halten, und wie Gott und die Natur ihre lustige Kurtzweile auch unter der Erden haben, bilden sich allerley Fisch = Gestalt in den Schieffer - was die Ursach sey solcher Impressionen, disputiren die Gelehrten. Ich zweifle nicht, daß es Reste der Sintflut gibt, da man, wo heute Erzgruben sind, nicht selten in Stein abgedrückte Hölzer findet. In eben diesen Steinen werden auch verschiedene Arten von Fischen und anderen Tieren entdeckt."

Auch phantastische Deutungen entsprachen dem damaligen Zeitgeist. So berichtet der Mansfelder Hofprediger COELIUS, daß der Bergmann Georg BOHSE 1538 eine Schieferplatte fand, auf der ein Bildnis des Papstes zu sehen war:

"dies Bild aber war gestaltet wie man den Papst zu malen pfleget ... hatte drei Kronen, übergüldet, auf seinem Haupte, das Angesicht goldfarbig, ohne Bart ... dieses Bild, weil nie keines mehr gefunden, noch gesehen worden, hat er als ein Miracul (Wunder) geachtet, länger denn ein Jahr heimlich gehalten."

Dieses Fossil erregte noch nach über 30 Jahren Aufsehen, so daß es Johannes MELLINGER 1571 auf einer Karte der Grafschaft Mansfeld abbildete (Beilage zur SPANGENBERG - Chronik 1572).
Anhand dieser Abbildung kann man heute noch den Fisch mit großer Sicherheit als Platysomus ("Kupferschieferscholle") bestimmen.
Der Begründer der Montanwissenschaft Georgius AGRICOLA erwähnte Fossilien in seinem Buch "Von der versteinerten Natur" (1546) als "lapis Eislebanus" (Stein von Eisleben).
Sebastian MÜNSTER gab kurz darauf (1550) in seiner "Cosmographei" die erste Abbildung eines Mansfelder Kupferschieferherings, die als älteste Abbildung eines Fossils in einem gedruckten Buch gilt. MÜNSTER war einer der führenden Gelehrten in Hebraistik, Geographie, Mathematik und Astronomie. Sein Werk überdauerte die Jahrhunderte, erlebte allein im 16. Jahrhundert 33 Auflagen in fünf Sprachen und war damit so erfolgreich wie kein anderes Werk in dieser Zeit. Er beschrieb die Erdoberfläche mit allen ihren Inhalten, schrieb lebendig, volkstümlich und verständlich - worin sicher der Erfolg des Buches begründet war. Obwohl er nicht an ihr Vorhandensein glaubte, ließ er Bilder von "menschlichen und tierischen Monstern" beifügen, um der Schaulust und dem Wunderglauben der Leute gerecht zu werden. Vielleicht ist es so nur ein glücklicher Umstand, daß auch ein Kupferschieferfisch abgebildet wurde.

"Es haben die grauen (Grafen) von Mansfedt inn irem land ein schiffer Bergwerck/ desgleichenn man keins inn der welt weißt/ dann auß dem schiffer/ nach dem er durch ettlich feuer gelassenn/ macht man kupffer/ welches hält der Centner vonn zwentzig bis inn vier und zwentzig lot sylber/ das dann darauß geseigert unnd gezogen wirt/ so ein große summa von sylber und kupffer/ das schier ongläublich/ und ist ein ewig Bergwerck. All enthalben wo man im land ynschlecht/ find man den schiffer. Die knappen so den schiffer hauwen heißt man Kromphelß oder schiffer hauwer/ dann die weil der schiffergang so flachligt/ unnd Sie zu irer arbeit in der gruben auf der seyten ligen müssen/ werden inen die helß so kromm/ seint selten tögelich auff andere Bergwerck. Ein wunderbarlich ding hab ich doselbigen gesehen/ es ist ein see ettlicher meyl wegs lang und breit im land/ und so mancherlei fisch/ frösch oder sunst lebendiger thier im selben see seindt/ die gebürt Schiffer ein gleichnuß inn im gedigenem angeflognem kupffer/ das mans clarlich erkennen kan/ was jedes für ein fisch bildnuß oder figur ist."

Nach MÜNSTER bildete der Schweizer Arzt Konrad GESNER 1565 einen Kupferschieferfisch ab im Buch "Von den Figuren der Steine".
Demnach finden sich zwischen 1550 und 1571 schon drei Abbildungen von Fischen in Büchern, die auf das Interesse an den Fossilien schon vor fast 450 Jahren hinweisen.
 
 
Palaeoniscum freieslebeni, Eisleben, ca. 40 cm lang, fast vollständig erhalten 

Im 17. Jahrhundert findet man kaum etwas über den Bergbau oder gar die Fossilien. Auch ging der Bergbau durch mehrere Kriege hinter den Stand des 16. Jahrhunderts zurück.
Mitteilungen aus dem 17. Jahrhundert überlieferte uns der Eisleber Albert BIERING erst einige Zeit später. Er nannte 1734 einige Beschreibungen, die sich entsprechend dem damaligen Glauben an Berggeister und die Sintflut auf "Abbildungen" oder Deutungen von Persönlichkeiten, Tieren und Gegenständen bezogen.

-- "Anno 1637 ist funden worden das Bildniß der Jungfrauen Mariä mit dem Jesus = Kindlein ..."
-- "Anno 1674 hat ein Mannßfeldischer Bergmann ein von Natur gewachsenes Engels = Bild gefunden, und nach Eißleben bracht."
-- "Anno 1677 hat ein Bergjunge bey Neckendorff das Schloß Seeburg auf einem Schieffer gebildet gefunden ..."
-- "Anno 1678 ist dem Herrn Berg = Verwalter Kersten ein von den Mannßfeldischen Schieffer = Steinen gebracht worden, in welchem ob er gleich feste zugeschlossen gewesen, ein lebendiger Frosch gewesen, welcher aber, so bald er den Stein zerschlagen, und der Frosch die Lufft empfunden, also fort abgestorben."
-- "So ist in dieser Grafschaft funden worden der hochlöbliche Churfürst Johann Friderich zu Sachsen mit der Schramme über den Backen, wie auch die Tauffe des Herrn Christi von Johanne dem Täuffer am Jordan."

25 Jahre vor der Veröffentlichung BIERINGs findet man - für diese Zeit ungewöhnlich - fortschrittliche Anmerkungen über die Fossilien bei dem Leipziger Juristen Gottlieb Friedrich MYLIUS 1709 im ersten Teil seines Buches "Des Unterirdischen Sachsens seltsame Natur". Es bietet reichlich Informationen über den hiesigen Bergbau und seiner Fossilien. Ein Großteil des Textes enthält die Frage nach der Natur der Fossilien, dabei vertrat MYLIUS keine sichtliche eigene Meinung. Er zeigte aber die unterschiedlichen Interpretationen auf: Spiele der Natur, unterirdische Keimungen, spontane Zeugungen und Sintflutreste. An letzteres oder eine göttliche Botschaft schien er am ehesten zu glauben:

"Hingegen suchen andere mit vielen Gründen zu beweisen / wie es nichts anderes als eine Künstelung der Natur sey ... Doch ist auch wahrscheinlich gnug / wie hinter diesen Schieffern noch etwas mehr verborgen liege; gesetzt es spiele die Natur in den Eißlebischen Schieffern mit Fischen / solte sie denn in denen so man bey Riegelsdorff in Hessen / zu Schweina in Sachsen Meinungen / Osteroda am Hartze / Kupffer Suhl bey Eisenach und andern Orthen mehr findet / auff gleiche Art ihre Operationes so gar genau haben / daß sie von einander indifferent geblieben."

An Kupferschieferfossilien bildete er Fische und Pflanzenreste ab, die er mit rezenten Pflanzen und Tieren verglich. Noch heute lassen sich die abgebildeten Arten leicht bestimmen. Sie zeigen drei Kupferschieferheringe sowie die ältesten Abbildungen eines Pygopterus ("Kupferschieferhecht") und eines Nadelbaumrestes.

"Nicht ohne sonderbare Gemüths = Ergötzung und daraus erfolgender Verwunderung der Allmacht des Allweisen Gottes kan man dieses betrachten / indem sie so gar nett durch des geöffneten Künstlers Hand gezeichnet zu sehen / die allermeisten gleichen denen Hechten / Persen und Heringen / an welchen letzteren für allen anderen die Floß = Federn (Flossen) sehr artig exprimiret / die Grösse derselben ist nicht weniger als die Farbe abwechselnd / indem theils als mit Bergwachs oder Pech / andere mit gantz bunten Farben / auch so gar mit gelben Glantz aus lauterm Golde / auch Silber und Kupffer Blätgen überzogen sich erweisen / immassen sie auch theils ausgestreckt / vid.Fig.1. theils gantz krumb liegend / Fig.2. auf den Schieffern zu sehen."

Ein Zeitgenosse von MYLIUS, der Schweizer Arzt und Naturforscher Johann Jakob SCHEUCHZER, gab dem Kupferschieferhering seinen ersten Namen "Ichthyites Eislebiensis" (Eisleber Fisch).
Er brachte 1709 die erste große, geschlossene Darstellung einer Sammlung von Fossilien heraus. Einige Fossilien erhielt er zusammen mit den Kupferstichen schon im Jahre 1708 von MYLIUS. Seine Sammlung, insgesamt 248 Posten mit den übereigneten MYLIUSschen Stücken, wurde 1716 zum Verkauf angeboten. Im gleichen Jahr wurde auf der Ostermesse in Leipzig auch die umfangreiche MYLIUSsche Sammlung (5197 Stücke) verkauft. Sie ging an den Leipziger Apotheker LINCK, in dessen Sammlung sich eines der besten Fundstücke eines Kupferschiefersauriers, gefunden 1706 in Thüringen, befand.
1840 kam die LINCKsche Sammlung ins Museum nach Waldenburg/Sa., wo man den Saurierrest und auch Stücke aus der MYLIUSschen Sammlung, noch heute findet. 1717 veröffentlichte LINCK selbst einen kurzen Beitrag über die "Zeugen der Sintflut".
Den genannten Beschreibungen folgten weitere z.B. von LEIBNIZ 1710, HOFFMANN 1749, CANCRINUS 1767 und WINCKLER 1794.
 
 

"Richelsdorfer Kinderhand" (Protorosaurus speneri)
Sammlung W.MUNK, ca. 11 cm

Für die Saurier des Kupferschiefers war der Anfang 1710 durch Christian Maximilian SPENER, Leibarzt des preußischen Königs, gemacht. Der Berliner Anatom und erste Leiter des anatomischen Theaters - heute die Universitätsklinik Charité - bildete als erster einen Saurier aus dem Kupferschiefer ab und beschrieb ihn als Krokodil ("SPENERs Krokodil"). Wegen der Seltenheit der Funde hatte fast jedes Stück seine eigene (Be)Deutung. So wurden Überreste von Fußskeletten der Saurier als "Richelsdorfer Kinderhand", von in der Sintflut ertrunkenen Kindern, beschrieben.

Erst 1832 erfolgte die wissenschaftliche Bearbeitung aller bis dahin bekannten Saurierfunde durch Hermann von MEYER. Sein Werk hat bis heute nur wenig an Aktualität verloren. Er war einer der führenden Wissenschaftler seiner Zeit und beschrieb u.a. auch den berühmten Urvogel Archaeopteryx.

Im 19. Jahrhundert begannen die ersten wissenschaftlichen Bearbeitungen der Kupferschieferfossilien. Nachdem der Schwede Carl von LINNÉ im Jahre 1735 mit seinem Werk "Systema naturae" das doppelnamige System im Tier- und Pflanzenreich einführte und die Naturwissenschaften einen Aufschwung verzeichneten, blieb das nicht ohne Folgen für die Kupferschieferfossilien, deren wissenschaftlicher Anfang um 1810 durch Ernst Friedrich von SCHLOTHEIM und darauf den in Halle tätigen Professor Ernst Friedrich GERMAR zu verzeichnen war. Er regte bei den Bergleuten das Sammeln von Fossilien an und veranlaßte im Königlichen Bergamt in Eisleben beim damaligen Direktor ECKARDT ein Zurücklegen der gefundenen Versteinerungen.

Der Eisleber Friedrich August QUENSTEDT, später als Professor in Tübingen tätig, erkannte in dieser Zeit in Berlin (heute Naturkundemuseum) beim Katalogisieren der für 5500 Taler aufgekauften SCHLOTHEIM-Sammlung als erster die Zugehörigkeit der häufigsten Kupferschieferpflanzen zu den Nadelbäumen.
 
 
Ullmannia frumentaria, Eisleben

Die neu aufstrebende Wissenschaft der Geologie / Paläontologie brachten zahlreiche neue Erkenntnisse bei den Zechsteinfossilien. Hanns Bruno GEINITZ, Professor in Dresden gab als erster 1861/62 eine umfassende Monographie über die Fossilien der Zechsteinformation heraus, ähnlich wie es bereits William KING 1850 für die englische Zechsteinformation tat. Ihm folgten später Albany HANCOCK und Richard HOWSE. In Deutschland führten H. Graf zu SOLMS-LAUBACH und Otto JAEKEL die Untersuchungen fort.

Im 20. Jahrhundert regten vor allem die Veröffentlichungen des Halleschen Professors Johannes WEIGELT zum weiteren Sammeln von Fossilien an. So wurde in den 30er Jahren von der Universität in Halle, Bergleuten für jedes abgegebene Fossil ein Entgeld bezahlt.

Nach 1945 sank das Interesse an den Fossilien im hiesigen Mansfelder Gebiet, da sie nur eine sehr geringe Rolle beim Abbau und der Erkundung des Kupferschiefers spielten. Lediglich paläobotanisch läßt sich auf die zahlreichen Arbeiten des Berliner Professor Rudolf DABER verweisen. In den alten Bundesländern dagegen schritt die Erforschung der Zechsteinfossilien im Richelsdorfer Gebirge und im Niederrheingebiet zu einem neuen Höhepunkt mit den Arbeiten von Erich MALZAHN, Hans-Joachim SCHWEITZER und seit 1976 besonders durch den Eschweger Hobbypaläontologen Dr. Günther SCHAUMBERG, der eine Vielzahl an Neuerkenntnissen publizierte.

Mit dem Schließen des Bergbaues 1990 ist wieder ein etwas größeres Interesse an Kupferschieferfossilien zu verzeichnen.
 
 
Bergschule in Eisleben, Lithographie um 1890